Schutzgemeinschaft
Tegernseer Tal

Seit sechs Jahren recherchiert und dokumentiert Susanne Heim mit dem Arbeitskreis „Haut der Berge“, welche Schäden die Bayerischen Staatsforsten ihrer Ansicht nach mit ihren Bewirtschaftungsmethoden im Wald anrichten. Die jüngsten Hochwasserereignisse und die aktuellen Bohrungen auf der Suche nach Trinkwasser in der Langenau bei Kreuth spornen sie an,
mit Vehemenz am Thema dranzubleiben.

Nicht nur das Hochwasser vom Juni, das im Landkreis Miesbach stellenweise „gigantische Ausmaße“ gehabt habe, ist für die Vorsitzende des in der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) angesiedelten Arbeitskreises „Haut der Berge“ wieder einmal der Beleg, wie wichtig ein funktionierender Puffer ist. Der Waldboden als Wasserspeicher spielt dabei eine wichtige Rolle,
sind die Mitglieder des Arbeitskreises überzeugt. „Zerstört man diesen Wasserspeicher Waldboden, um schnell und billig Holz zu transportieren, zerstört man für die nächste Generation unwiederbringlich genau solch ein abpufferndes Ökosystem“, sagt Heim.

Seit die Autorin und Heilpraktikerin 2018 im Rahmen der Recherche für ein Buchprojekt einen Vortrag über die Vernichtung des Waldbodens und damit der Lebensgrundlage Wald gehalten hat und daraufhin der Arbeitskreis gegründet wurde, helfen engagierte Mitstreiter bei der Recherche- und Dokumentationsarbeit. „Ein Quadratmeter Waldboden speichert 50 bis 70 Liter Wasser“, weiß Heim aus Forschungsarbeiten und erklärt bei jeder Gelegenheit, dass Waldboden kein Haufen toter Erde sei, sondern ein hochkomplexer Organismus. „Ein Kubikmeter Waldboden enthält 20 Kilometer Pilzfäden, die sogenannte Mycorhizza“, so die Vorsitzende. „Erst sie ermöglicht die Versorgung der Bäume mit Wasser und Mineralien.“ Heim: „Die Bildung von 30 Zentimeter Humus dauert eintausend Jahre.“ Waldboden könne wie ein Schwamm große Mengen Wasser aufsaugen und biete Hochwasserschutz bei Starkregen. Auch stelle er ein Trinkwasserreservoir für Trockenperioden dar. „Zerstöre ich das Porensystem des Bodens durch Verdichtung, ist diese Schwammfunktion zerstört und damit der Wasserspeicher.“

Seinen Fokus richtet der Arbeitskreis seit Längerem auf die Langenau bei Wildbad Kreuth – eine Auenlandschaft, aus der die Gemeinde Kreuth ausschließlich ihr Trinkwasser bezieht.
Auch die Stadt Tegernsee will diesen Wasserspeicher in Zukunft für ihre Trinkwasserversorgung nutzen und ließ Probebohrungen durchführen. Mit Erfolg: In 44 Metern Tiefe stieß ein beauftragtes Ingenieurbüro auf die Grundwasserströme des Sagenbachs. Ob tatsächlich künftig eine Wasserleitung von der Langenau bis Tegernsee realisiert werden kann, ist noch offen.
Fest steht jedoch: Die Stadt muss sich bis 2027 neue Trinkwasserquellen erschließen, denn bis dahin laufen die bisherigen Genehmigungen aus. Außerdem braucht sie mehr Versorgungssicherheit.

Susanne Heim verdeutlicht die Bedeutung auch so: „Schnee und Regenwasser, das in der Langenau und den umliegenden Berghängen auf den Waldboden fällt, sickert in 50 Tagen in einen etwa 40 Meter tiefen, unterirdischen Grundwassersee. Das heißt: Das Kreuther Trinkwasser läuft durch einen natürlichen High-Tec-Kies-Filter, und das Ganze kostet keinen Cent.“

Richtig wütend werden sie und ihre Mitstreiter vom Arbeitskreis aber dann, wenn sie sehen, wie dieser Wasserspeicher Waldboden von den Bayerischen Staatsforsten behandelt wird.
„Seit Jahren wird hier mit schweren Arbeitsmaschinen intensiv Holzwirtschaft betrieben“, berichtet auch das engagierte Mitglied Paul Mathes. Der Arbeitskreis hat dokumentiert, dass auf einer Länge von fünf Kilometern im Abstand von 30 Metern 120 Rückegassen angelegt worden seien. Und er hat berechnet: 12 000 Quadratmeter Waldboden und Tausende Liter Wasserspeicherkapazität seien verloren gegangen. „Durch Bodenverdichtung mit einem zerstörten Porensystem kann deutlich weniger Wasser in den tiefen Grundwassersee hinunter sickern“, erklärt die Vorsitzende, es fließe vielmehr ab oder stehe tagelang in Pfützen und verdunste. „Die Schwammfunktion des Waldbodens ist zerstört und damit der Wasserspeicher.“

Schäden auch im Söllbachtal

Nicht nur in der Langenau, sondern auch andernorts in den Staatswäldern des Tegernseer Tals, im Elendtal bei Kloaschau, entlang der Weißen Valepp, im Breitenbachtal oder ganz aktuell im Söllbachtal hat der Arbeitskreis die Schäden im Waldboden durch schwere Arbeitsmaschinen dokumentiert. Die Fotos zeigen tiefe Fahrspuren, in denen das Wasser steht und die wie kleine Bäche anmuten. „Es werden also genau die kompensierenden Ökosysteme zerstört, auf die wir so dringend angewiesen sind“, sagt Heim, die auch berichtet, dass die Verantwortlichen jede Verantwortung von sich weisen würden. „Sie betonen, dass die Wasserprobleme ja mit dem Klimawandel zusammenhängen und nicht mit ihrer Bewirtschaftungsweise.“ Konträr dazu stehe ein Zitat aus der Bodenschutzbroschüre der Staatsforsten. „Da wird eingeräumt, dass durch mehrfaches Befahren eine Regeneration des Bodens nicht erwartet werden könne. Oder dass Schädigungen durch Verdichtung allenfalls langfristig reversibel seien.“ Dabei gäbe es Alternativen: „Etwa mit Rückepferden“, sagt Heim und berichtet sogar von Fördergeldern für dieses Vorgehen.

Von Anfang an hatte der Arbeitskreis das Forstamt Schliersee mit der Dokumentationsarbeit konfrontiert und um Vorschläge gebeten. Die Resonanz sei deprimierend gewesen und habe zu keinem Umdenken geführt. Ganz im Gegenteil: „Die Schäden werden immer größer“, muss Heim feststellen. „Dabei haben die Staatsforsten von uns Bürgern den Auftrag, unsere Wälder vorbildlich und naturschonend zu bewirtschaften und in gutem Zustand der nächsten Generation zu übergeben.“ Für sie steht nun fest: „Wir haben es jahrelang im Guten versucht.“
Damit sei es nun endgültig vorbei. Sie werde versuchen, die Bevölkerung noch mehr wachzurütteln und für das Thema Zerstörung des Waldbodens zu sensibilisieren.
Geplant seien etwa Vorträge und Führungen. „Es geht um den Erhalt unseres Lebensraums“, sagt die Autorin. „Auch für die nächste Generation.“

GERTI REICHL