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Liebe Mitglieder und Freunde der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal,

Corona und kein Ende in Sicht. Zu allererst hoffe ich, dass Sie alle dem Virus bislang die Stirn geboten haben und gesund geblieben sind und bleiben! Schon in meinem letzten Brief vom vergangenen März hatte mich der Gedanke beschlichen, dass dieser Virus nicht nur eine große Herausforderung für uns alle, sondern ein Fingerzeig von oben sein könnte, dass wir lieb gewonnene Gewohnheiten ändern müssen und nicht nach dem Motto: höher, schneller, weiter, größer immer so weiter machen dürfen. Unser Ehrenmitglied, der Architekt Heiner Förderreuther, wiederholt es immer wieder: „wir dürfen nicht alles, was wir können!“ So schwer die Situation für viele Berufsgruppen, wie Künstler, Hoteliers, Gastwirte, Veranstalter, etc. sich momentan auch darstellt, der kluge, den meisten bekannte Astrophysiker Harald Lesch sieht in dieser weitreichenden Krise durchaus die Chance, durch unsere menschlichen Fähigkeiten wie Fantasie, Kreativität, Mut, Selbstvertrauen, Solidarität, Gemeinsinn und Genialität neue Wege zu beschreiten, dringende Investitionen in bestehende und neue Technologien zu entwickeln, zu alten Werten zurückzufinden, mehr Bescheidenheit, Demut und Respekt gegenüber der uns umgebenden Natur, Tierwelt, Umwelt an den Tag zu legen. Aber diese konstruktiven Vorschläge müssen von einer breiten Öffentlichkeit angenommen werden und unsere allgemeine Bereitschaft ist sicher ausbaufähig.

Thema Flächenfraß: In den letzten 10 Jahren wurden täglich 10,8 Hektar neu überbaut, eine Fläche wie München und Nürnberg zusammen. Hehre Absichtserklärungen werden in den Raum geworfen - maximal fünf (5) Hektar pro Tag als Pflicht, statt als Richtwert, doch augenblicklich folgte aus vielen Kommunen ein Sturm des Protestes – man wolle schließlich selbst entscheiden können, wieviel Fläche man zupflastert.  Der Kabarettist Helmut Schleich meinte kürzlich, München sei inzwischen ein flächendeckendes Immobiliengeschäft. Irgendwo müsse das Geld ja hin! Unter dem Motto „Wohnen unter altem Baumbestand“ erkrankten die Bäume kurz nach Baubeginn und mussten dann leider gefällt werden. Im Tegernseer Tal nicht viel anders, nur dass unsere Politiker inzwischen vermehrt versuchen, durch das Aufstellen von Bebauungsplänen der schädigenden Entwicklung Einhalt zu gebieten.

Thema Tourismus: Der Trend ist seit Jahren erkannt. Egal ob an den Seen oder in den Bergen, es wird immer voller und die Natur befindet sich seit langem im Freizeitstress. Der Mensch drängt in die Natur und erdrückt sie zugleich. Die schiere Masse macht`s. Einsame Alpenpfade werden zu Bergautobahnen, Völkerkarawanen laufen im Gänsemarsch die Berge hinauf, abgelegene Ortsstraßen sind an Wochenenden im Dauerstress. Wir werden lernen müssen, mit manchen Verboten leben zu müssen, wenn es der Natur hilft (MM/Dirk Walter). Da laut UNB die Lage nicht mehr kontrollierbar sei und man angesichts der vielen Verstöße mit Kommunikation nicht weiterkomme, hat der Umweltausschuss unseres Kreistags beschlossen, neben dem Gebietsbetreuer Florian Bossert den Weg für zwei zusätzliche Ranger freizumachen und mit den nötigen Kompetenzen auszustatten, u.a. Bußgelder zu verhängen. Über den Geldbeutel scheint noch immer ein funktionierendes Mittel. Die Natur ist für viele Egozentriker ein immer verfügbares Konsumgut und kein schützenswerter, sensibler Lebensraum. Was läuft hier in der Erziehung besonders an den Schulen falsch?  
Und solange der Gesetzgeber nicht Rahmenbedingungen schafft, die es auch dem in seelenlose Mietsblöcke gepferchten Großstadtmenschen erlaubt, vor seinem Haus ein Schnee- oder Maiglöckchen oder einen Apfelbaum erblühen zu sehen, d.h. jegliche Lebensqualität gnadenlos dem Kommerz geopfert wird, solange werden sich die Völkerkarawanen auf den Weg aus der Stadt heraus begeben.

Thema Artenvielfalt: Nach dem großen Erfolg des Bienenvolksbegehrens 2019 staunte man über die breite Unterstützung in der Bevölkerung. Trotzdem darf man sich angesichts der noch immer zahlreichen sterilen, von Mährobotern drangsalierten Wiesenflächen, schrecklichen Kies- und Schotterwüsten, die Frage stellen, ob die Botschaft angekommen ist. Es kann nicht alleine den Landwirten überlassen werden, die Natur und ihre Artenvielfalt zu schützen, sondern jeder Einzelne ist gefordert.
In gleichem Maße ist auch die Landwirtschaft betroffen, die mancherorts nach wie vor auf Insektizide, Herbizide, zu viel Gülle, Monokulturen, bis zu 6-maliger Mahd im Jahr, setzt. So ist die von der EU gerade verabschiedete Agrar-Reform für viele Naturfreunde kein „Meilenstein“ oder „Systemwechsel“, und kein von Frau von der Leyen groß angekündigter „Green Deal“, sondern der kleinste gemeinsame Nenner, allerdings noch kleiner als von vielen erhofft. Bis in vier Jahren beschert er uns weiter eine modifizierte Form der viel kritisierten Flächenförderung nach dem Gießkannen-Prinzip.
Groß war die Hoffnung, groß ist die Ernüchterung – pauschale Flächenprämien – das Meiste den Mächtigen, Masse statt Klasse. Den vielen Lobbyisten in Brüssel sei Dank! Eine Agrarpolitik weder grün noch gerecht – Widerstand durch jeden einzelnen Verbraucher umso dringlicher!  
Selbst Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble äußerte sich vor einigen Monaten: „Noch immer ist nicht nur die Pandemie das größte Problem, sondern der Klimawandel, der Verlust an Artenvielfalt, all die Schäden, die wir Menschen und vor allem wir Europäer durch Übermaß der Natur antun.“
Und auch unsere Bundesumweltministerin hat in diesem Zusammenhang gerade mehr Natur- und Artenschutz eingefordert, denn „die Naturzerstörung sei die Krise hinter der Krise“ und bezog sich auf Studien des UN-Biodiversitätsrats, wonach Naturzerstörung zu mehr und noch gefährlicheren Pandemien führen dürfte. Die Ursachen für das Entstehen von Pandemien seien dieselben, die auch zum Verlust biologischer Vielfalt und zum Klimawandel führen, u.a. die weltweite Intensivierung der Landwirtschaft, sowie der Handel mit Wildtieren.

An dieser Stelle möchte ich die großartige Arbeit unserer „Zivilcourage“, entstanden aus der Absicht, einen gentechnikfreien Landkreis zu schaffen, erwähnen. Allen voran die unermüdliche Kämpferin Annelies Blümel, die auch uns über alle neuen Entwicklungen und Strategien, inklusive themenbezogener Vorträge, regelmäßig informiert. Herzlichen Dank dafür!

SGT-Veranstaltungspläne: Seit März sind praktisch all unsere Veranstaltungen Corona zum Opfer gefallen. Alleine der spannende Vortrag des Biologen Dr. Henning Fromm zum Thema: „Nachhaltige Landnutzung ein Mythos? - am Beispiel unserer Region“ konnte in der Naturkäserei vor kleinem Publikum stattfinden. Wir halten aber an allen anderen Vorträgen nach wie vor fest und müssen abwarten, wann es wieder möglich sein wird. U.a. der sicher spannende Vortrag von Susanne HEIM: „Zwei Jahre Haut der Berge“. Sie wartet nur darauf, uns allen die von ihr und ihrem treuen Team in dieser Zeit erreichten Fortschritte in Sachen „Bergwald“ zu berichten. Ihre Webseite wird in Kürze freigeschaltet; sobald dies der Fall ist, werden wir Sie in einem Newsletter per Mail in Kenntnis setzen. An dieser Stelle hier noch einmal unser Appell: je zahlreicher die Mailadressen sind, die wir von Ihnen erhalten, umso häufiger können wir Sie auch kurzfristig über neue Entwicklungen oder Veranstaltungen informieren. Das ist sehr viel einfacher und kostengünstiger als per Brief (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.). 
 
Geplant ist ebenfalls ein Vortrag der Biologin Gabriela SCHNEIDER zum Thema „Unsere wertvolle und erhaltenswerte Haglandschaft“. Auch die Ausstellung „Grün kaputt“ – entstanden nach dem zeichensetzenden Buch (1980) gleichen Titels von Dieter Wieland, Rüdiger Disko und Peter M. Bode - ist auf April 2021 verschoben, wie geplant im Gmunder Jagerhaus Museum. Sehr gerne würden wir einem breiten Publikum noch einmal die beiden BR Filme „Kein Platz im Paradies“ (1998), sowie „Das geschundene Tal“ (2008) von Dr. Meinhard Prill zeigen, auch um Vergleiche zu heute zu stellen. Die massive Bebauung, die damals thematisiert wurde, ist 2020 in erheblichem Maße angewachsen! In dieser Hinsicht sind wir weiter aktiv, haben Stellungnahmen abgegeben, wie zur geplanten Bebauung im geschützten Außenbereich am Finsterwalder Steinberg, zur ausufernden Freizeitgelände-Erweiterung am Oedberg. Und natürlich sind auch WESTERHOF, sowie die Bebauung Tegernsee-Süd am Leeberg neben Villa am See mit zwei Mietshäusern plus großflächiger Tiefgarage anstelle eines flachen Einzel-Bungalows nach wie vor Thema. Unsere flächenvernichtenden Investoren werden von Corona nicht abgeschreckt, sondern wittern anhand des großen Pandemie-Interesses sogar Morgenluft. Daher heißt es weiter: wachsam bleiben. Bitte melden Sie sich, wenn Sie etwas entdecken oder Anfragen haben.
Auch beteiligt sich die SGT mit einer größeren Geldsumme an einer Baumpflanzaktion am Weißachdamm, um die Schäden durch den damaligen Kahlschlag ein wenig auszugleichen. Ein Leserbriefschreiber spricht mir aus der Seele: „Wir können nur atmen, weil es Bäume gibt. Hinter dieser
Tatsache (Sauerstoff, CO2) treten doch alle anderen Wünsche zurück. Jeder Baum, der gefällt wird, bedingt eine Verschlechterung unserer Atemluft.“ Und dann fügt er den uns allen bekannten Satz des Chief Seattle hinzu: „Wenn der letzte Baum gefällt ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann!“ Wie wahr und er sollte auch im Tegernseer Tal endlich zur Kenntnis genommen werden.

Wie bei vielen anderen Vereinen kann unsere für November geplante Jahreshauptversammlung leider nicht stattfinden und ist auf das nächste Jahr verschoben. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und noch einmal möchte ich unseren Newsletter erwähnen, initiiert von Marcus Staudacher, mit dem wir Sie regelmäßig zu allen anstehenden Themen informieren können.

Wir alle hoffen, dass die neuen Lockdown-Vorschriften wirklich nur für die nächsten November-Wochen gelten und wir anschließend einen ruhigen, friedvollen Advent begehen können. Vielleicht können wir dann doch noch den Aufklärungsfilm zu 5G und die Nebenwirkungen auf Mensch, Tier
und Natur im Kino Weißach anschauen, der für nächste Woche geplant war und dessen Regisseur Matthias Nieschke aus Hausham u.a. von der SGT mit einem Beitrag unterstützt wurde.

Bitte bleiben Sie und Ihre Lieben gesund und wir hoffen, dass es im neuen Jahr Gelegenheiten für ein Wiedersehen geben wird. Positiv denken ist wichtig und stärkt unser Immunsystem nicht nur im Winter.
 
Mit herzlichen Grüßen
 
 
Angela Brogsitter - Finck  
für den Vorstand  
 
P.S. Toleranz sollte in dieser Zeit wieder großgeschrieben werden. Selbst wenn wir hören, dass die Mehrheit der Bevölkerung hinter den Vorgaben der Regierenden steht, sollte es in unserer Demokratie erlaubt sein, dass denkende Menschen die ein oder andere Maßnahme hinterfragen, Zweifel hegen und sie auch äußern dürfen, z.B. u.a. in Sachen Gastronomie und Kultur. Pablo Picasso: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele!“